Ein nicht so ganz ernstgemeinter Blick an die Grenze …


Silwinger Zoll – von Zöllnern, Radrennen und geheimen Bierabenden …!
Da kommen wir heute Morgen nichtsahnend am seit 1992 geschlossenen Silwinger Zoll vorbei – und was fällt uns auf?
Nichts. Rein gar nichts. Keine Schranke, kein Schlagbaum, nicht mal ein müder Blick aus einem verstaubten Grenzhäuschen.Und wenn einem nichts auffällt, dann kann’s ja nicht so schlimm sein. Oder? Dabei waren wir innerlich schon ganz auf Habachtstellung – schließlich hatte Herr Dobrindt unlängst in voller Breite, Tiefe und rhetorischer Fallhöhe neue Grenzkontrollen angekündigt. Aber wir wissen ja auch wie das mit manchem Gerede der Politik so ist.
Und ob wir das jetzt wieder wollen udn brauchen … eher das damalige Drumherum:
Darum ein Rückblick auf frühere Zeiten.
Seit dem 1. Januar 1993 ist die Grenze offen, das Zollamt zu – und mit ihm verschwand ein kleines Stück saarländisch-französischer Alltagskultur. Dabei war hier früher richtig was los!
Schon 1970 donnerte die Tour de France über den Silwinger Zoll – Ziel war Felsberg, Sieger: natürlich niemand Geringeres als Eddy Merckx. Die Zöllner haben damals zwar keine Rennräder kontrolliert, aber später mal ein paar geklaute Feuerwehrschläuche, die Mondorfer beim Fest in Rémeling mitgehen ließen. Ob aus Versehen oder als Trophäe, ist bis heute nicht ganz klar.
Als Kinder standen wir damals als der Eddie vorbeikam auch dort oben am Straßenrand wund wurden mit Geschenken bombadiert.
Überhaupt war der Zöllner in Silwingen mehr als nur Beamter – er war Mädchen für alles. Mal half er, entlaufene Kühe von der Straße zu holen, mal schlichtete er Grenzstreitigkeiten („Das ist *mein* Feld, Jacques!“), und gelegentlich war er auch Mitternachts-Bierlieferant. Ja, du hast richtig gelesen: Wer spät nachts über die Grenze kam, konnte sich in einem inoffiziellen Ausschank am Zollhäuschen eine Flasche Bier für 50 Pfennig, so rum, gönnen – ohne Beleg, aber mit Handschlag.
Und manchmal war der Dienstweg ganz kurz: Etwa dann, wenn ein Zöllner nach durchzechter Nacht bei meiner Uroma gegenüber dem Gasthaus Ley auf der Bank einschlief – und von ihr morgens liebevoll in die Küche auf einen Kaffee gerufen wurde, bevor es wieder hieß: „Ab an die Schranke!“
Die Zöllner prägten das Dorf – nicht nur durch ihre Uniform, sondern auch durch ihre Nähe zur Bevölkerung. Die alten NS-Zollhäuser in Silwingen, 3 n der Zahl, wurden nach dem Krieg renoviert, teils modernisiert, und dienten fortan als Wohnsitz für Beamte und ihre Familien. Auch oben am Waldrand, neben dem Zoll, gab es ein Wohngebäude – mit schönstem Blick auf die Grenze und bestem Empfang für deutsches und französisches Fernsehen.
Apropos Frankreich: Lange Zeit kontrollierten die französischen Gendarmen bei Wind und Wetter im Freien, ohne Unterstand, mit Mütze, Charme und Handschlag.
Einmal wurde ein Passierender, der nach Hilbringen wollte, gebeten, über Silwingen zu fahren, um Hilfe bei der Gendarmerie Mondorf-Silwingen anzufordern – der Zöllner, bis 6 juli 1959 regelten noch Franzosen und Saarländer gemeinsam dort den Zollverkehr, hatte nämlich gerade einen motorisierten Rollerfahrer ohne Führerschein gestellt, war allein im Dienst und brauchte Unterstützung. Amtshilfeweg auf saarländisch.
Und wer die Zöllner nach Dienstschluss suchte, wurde meist im Gasthaus Ley fündig – später stilgerecht umbenannt in „Zur Landesgrenze“. Dort saßen sie beim Feierabendbier, diskutierten über Benzinpreise, Spesenabrechnungen und wer den besten Flammkuchen auf der anderen Seite kannte. Die Wirtin wusste: Zöllner waren gern gesehene Gäste – verlässlich, trinkfest, und meist mit gutem Trinkgeld.
Und heute? Kein Kontrollhäuschen, kein Cafébesuch, kein Grenzgefühl. Nur Kühe und ein laues Frühlingslüftchen, das aus Richtung Frankreich weht und ein bisschen nach Gauloises riecht – und wenn der Wind günstig steht, hört man ihn manchmal, den legendären Spruch aus dem geheimen Nachtverkauf:
„Ei, göff mier grad noch een Bei.er – onn maach deen Deckel droff, deen trenk ich dann onerwehs!“
 
 

1974

 
1958

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